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Franz Brahmstädt und der Kinderbrunnen an der Hohenzollernstraße

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Fragte man die Krefelder nach einem öffentlichen Brunnen im Bismarckviertel, ja in der Stadt Krefeld, würde mal wohl schnell auch etwas vom Kinderbrunnen oder Märchenbrunnen an der Hohenzollernstraße hören.

 

Die Antworten auf die Frage, von wem denn der Brunnen wohl stamme, wären sicher weniger ergiebig. Dabei hatte der Name des Bildhauers, der den Brunnen schuf, zu seiner Zeit einen durchaus bedeutenden Klang; er wurde gleichgestellt mit seinem Studienfreund Wilhelm Lehmbruck, auch mit Heinrich Campendonk. Sein Name war – Sie ahnen es – Franz Brahmstädt.

Brahmstädt wurde am 22. Februar 1877 als Sohn eines 1860 aus Malchin (Mecklenburg) zugewanderten, am Karlsplatz 6 wohnenden Musikers geboren. Er studierte – zusammen mit Wilhelm Lehmbruck, mit dem er auch in den folgenden Jahren freundschaftlich kooperierte - von 1901 – 1908 an der Düsseldorfer Akademie bei Professor Janssen. Wenig später heiratete er Elfriede Joel (sie stirbt 1974); die Ehe blieb kinderlos.

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Junges Mädchen, 1906

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u.U. "alter frierender Mann"; 1906

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Mann und Weib, 1907

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Trauernder Engel; 1915

Von 1910 bis zu seinem frühen Tod 1919 wohnte Brahmstädt im Künstlerhaus an der Hüttenallee 150. Das Haus war nach dem Wechsel von Jan Thorn Prikker, dem ersten Bewohner des Hauses, an die Düsseldorfer Akademie frei geworden. Die Errichtung eines Künstlerhauses selbst war eine Idee des Museumsdirektors Friedrich Deneken; gestiftet hat es Albert Oetker (Deuss & Oetker), das Grundstück stammte vom Jentges‘schen Grundbesitz. Entworfen hat das Haus Josef Maria Olbrich, einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit.(u.a. Kaufhof Düsseldorf, Mathildenhöhe Darmstadt, Sezessionsgebäude Wien).

Das gesamte nachgelassenes Werk des ‚Kunstbildhauermeisters‘ Franz Brahmstädt ist in der Bombennacht 1943 vernichtet worden - bis auf zwei große Arbeiten: eben den bekannten Kinderbrunnen in der Hohenzollernstraße (1911) und den Trauernden Engel (1915) auf dem Friedhof Heydeckstraße, ein Auftrag der Familie Matthias. Von einigen wenigen anderen Arbeiten sind Abbildungen überliefert: von den Stuckfiguren am zerstörten Hafenrestaurant (sie zeigen die Mitglieder der Hafenkommission), von dem wohl 1907 entstandenen Werk ‚Junges Mädchen‘, das im Saal ‚Düsseldorfer Plastik‘ der Kunstpalastausstellung 1907 prominent gezeigt wurde und schließlich von dem Werk ‚Mann und Weib‘, das sein Freund Karl Buschhüter in der Zeitschrift des Dürerbundes in Krefeld ‘‚Kunst und Leben am Niederrhein ‘ wiedergab, um daran seine sehr eigene Meinung zu Mann und Frau und deutschem Wesen zu exemplifizieren.

Bei der im Bild gezeigten Bronzestatue handelt es sich u.U. um das Original "Alter frierender Mann", welches zur Deutschen Kunstausstellung 1906 in der Flora zu Cöln ausgestellt wurde; sie entspricht in Größe (50 cm) und Ausführung den Beschreibungen der Düsseldorfer Malschule. Die Skulptur wurde s. Zt. in der Monatszeitschrift für deutsche Kunst "Die Rheinlande" als eine der besten Bronzefigur der Ausstellung bezeichnet.

(mit Dank für Foto und Hinweise an einen Leser unserer Internet-Seite)

Brahmstädt spielte zwar - neben dem Maler Christian Eckstein und dem Glasmaler Karl Holler - in dem von Karl Buschhüter geführten Dürerverein in Krefeld („Die Vereinigung bezweckt die Hebung der sittlichen und künstlerischen Bildung“) eine durchaus herausragende Rolle, aber es bleibt offen, ob auch Buschhüters Instrumentalisierung des Werkes seinen Beifall hatte.

Buschhüter fasst am Ende eines über zwei Seiten gehenden Textes zusammen: „Hier das Bildwerk von Franz Brahmstädt ist echte Kunst und gesund. Was ich in ihm sehe, habe ich in dieser Abhandlung zu schildern versucht. Es gibt mir den Gegensatz des männlichen und weiblichen Wesens im seelischen Ausdruck der nackten Leiber. Darum nannte ich es kurz MANN UND WEIB. Und eines ist es, was mir an ihm neben dem Künstlerischen besonders gut gefällt: Es schildert die Wirklichkeit, die ohne Beeinflussung durch die geschlechtlichen Reize des Weibes ist. Es zeigt den Mann als den überlegenen Leiter des Weibes, der nur für Augenblicke unterliegen mag.

 

Das ist männlich empfunden.“ Dass der (Kranz-windende-) Kinder-Brunnen Brahmstädts überhaupt an der Hohenzollern-straße steht – direkt gegenüber dem frühen Bau seines Freundes Karl Buschhüter (Hohenzollernstraße 37), verdanken wir dem Sammetfabrikanten und Geheimen Kommerzienrat Friedrich Wilhelm Deussen, Mitbegründer der Baumwoll-spinnerei wie der Teppichfabrik. Aus Anlass seines 70. Geburtstages „erwarb er das lieblichte Marmorwerk des lieblichen Kinderbrunnens und schenkte es der Stadt als köstliche Gabe.“ (Rbt.)

Immer wieder ist erörtert worden, wer nun Brahmstädt für die beiden Kranz windenden Kinder Modell saß. Mal meinte man, es seien die Töchter des befreundeten Malers Christian Eckstein Else und Emmy, mal Heiner, der jüngste Bruder von Fritz Huhnen. Wirklich geklärt wurde die Frage nicht.

1993 erschien dann im ‚Stern‘ ein Reportage von Werner Schmitz, der einer Notiz in der Wülfrather Lokalzeitung nachgegangen war: „92-Jähriger starb nach Schlägerei.“ Seine Recherche führte ihn nach Krefeld, wo das Opfer, Alfred Salomon, als kleiner Junge 1911 Brahmstädt als Modell gesessen hatte. Er war der Stiefbruder von Elfriede Joel, der Frau Brahmstädts. (Alfreds Vater Salomon Salomon hatte 1910 die Witwe Pauline Joel geheiratet).

 

Alfred Salomon überlebte als sogenannter Halbjude die Nazi-Zeit nur mit großem Glück. Seit Ende der 70er Jahre lebte er in einem Wülfrather Altersheim, an der Wand ein Foto vom Kinder-Brunnen mit der Unterschrift „Aus meiner Jugend“.

13 Jahre lebte er dort und war wohl immer schlimmsten Beschimpfungen als „Saujud“ ausgesetzt. Am 21. November 1992 kam es im Flur mit dem 89jährigen Johann Krohn zu einer handfesten Auseinandersetzung, in der Alfred Salomon niedergeschlagen wurde. Wenige Minuten später starb er.

Die Reportage von Schmitz endet mit dem Satz „Das Allerschlimmste: Krohn war Oberführer bei der Organisation Todt, hatte Zwangsarbeiter wie A.S. geschunden.“

(ger)

Literatur:

Rudolf Perpeet, Der Kunstbildhauermeister Brahmstädt; Heimat 47, S.52 ff, Renè Linke, Hinterm Idyll ein Drama, Westdeutsche Zeitung 4.8.1999, Karl Buschhüter: Mann und Weib, Kunst und Leben am Niederrhein, Stimme der Dürer-Vereins in Krefeld, Windmonat 1906

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